Magazin der Kreishandwerkerschaft Mönchengladbach Oktober/November 2015
Die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Ein steuerlicher BelastungsvergleichDas Bundesverfassungsgericht hat am 17.12.2014 das derzeitige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht im Hinblick auf die besonderen Begünstigungen für Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt.
Im Folgenden soll der Regierungsentwurf vom 8. Juli 2015 für ein Gesetz zur Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Unternehmensvermögen mit dem derzeit noch bestehenden Gesetz verglichen werden. Dieser Vergleich ist von Bedeutung, da der Gesetzesentwurf keine Rückwirkung vorsieht. Die derzeitigen Regelungen haben also nach dem Regierungsentwurf voraussichtlich bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes Bestand.
In einem ersten Schritt ist nach derzeitigem Recht zu prüfen, ob das zu übertragende Betriebsvermögen sog. Verwaltungsvermögen beinhaltet. Hierunter fallen zum Beispiel Grundstücke, die an Dritte vermietet werden, Wertpapiere oder Kunstgegenstände (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Nur wenn der Anteil eines solchen Verwaltungsvermögens am gesamten zu übertragenden Betriebsvermögen nicht zu hoch ist, sind die nachfolgend dargestellten Verschonungsabschläge überhaupt möglich.
Im Regierungsentwurf wird der Begriff des Verwaltungsvermögens „abgeschafft“ und durch eine Überprüfung jedes einzelnen Wirtschaftsguts hinsichtlich der Frage, ob es überwiegend dem Hauptzweck des Unternehmens dient, ersetzt. So soll das Betriebsvermögen in einen begünstigten und in einen nicht begünstigten Teil aufgeteilt werden. Nur für den begünstigten Teil des Betriebsvermögens gelten die nachfolgend dargestellten Verschonungsabschläge.
1. Fallgruppe
Unternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten und begünstigtem Vermögen bis 26 Mio. EUR pro Erbe bzw. Empfänger
a) Unternehmen mit bis zu 3 Beschäftigten
Regierungsentwurf:
Ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent des begünstigten Betriebsvermögens wird gewährt bei einer Haltefrist von 5 Jahren (der Betrieb darf also innerhalb einer Frist von 5 Jahren nach der Übertragung nicht veräußert werden). Die sog. Optionsverschonung in Höhe von 100 Prozent greift bei einer Haltefrist von 7 Jahren. Die Einhaltung von Lohnsummen entfällt.
Derzeit:
Ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent wird gewährt bei einer Haltefrist von 5 Jahren. Die sog. Optionsverschonung in Höhe von 100 Prozent greift bei einer Haltefrist von 7 Jahren. Die Einhaltung von Lohnsummen entfällt, da der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat (§ 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG).
Fazit:
Hinsichtlich Haltefrist und Lohnsummenregelung bestehen keine Unterschiede.
b) Unternehmen mit 4 bis 10 Beschäftigten
Regierungsentwurf:
Ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent wird gewährt bei einer Haltefrist von 5 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 250 Prozent. Die sog. Optionsverschonung in Höhe von 100 Prozent greift bei einer Haltefrist von 7 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 500 Prozent.
Derzeit:
Wie zu 1. a). Die Einhaltung von Lohnsummen entfällt, da der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat.
Beispiel:
Vater V überträgt an seinen Sohn S eine Kfz-Werkstatt (Einzelunternehmen). Der Betrieb soll einen steuerlichen (gemeinen) Wert von 3.000.000,00 EUR haben. Im Durchschnitt hat V in den letzten 5 Jahren vor der Übertragung 400.000,00 EUR an Bruttolöhnen pro Jahr an seine 10 Beschäftigten gezahlt. Sohn S muss 1 Jahr nach der Übernahme des Betriebs 70% der Stellen streichen. In den darauf folgenden 4 Jahren bleiben die Bruttolöhne unverändert.
Fazit:
Würde die Schenkung nach derzeitigem Recht durchgeführt, fiele keine nachzuzahlende Schenkungsteuer an, da der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat. Die „Steuerersparnis“ betrüge somit 35.660,00 EUR.
c) Unternehmen mit 11 bis 15 Beschäftigten
Regierungsentwurf:
Ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent wird gewährt bei einer Haltefrist von 5 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 300 Prozent. Die sog. Optionsverschonung in Höhe von 100 Prozent greift bei einer Haltefrist von 7 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 565 Prozent.
Derzeit:
Wie zu 1. a). Die Einhaltung von Lohnsummen entfällt, da der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat.
Beispiel:
Im Durchschnitt hat V in den letzten 5 Jahren vor der Übertragung 600.000,00 EUR an Bruttolöhnen pro Jahr an seine 15 Beschäftigten gezahlt. Ansonsten wie zuvor.
Fazit:
Würde die Schenkung nach derzeitigem Recht durchgeführt, fiele keine nachzuzahlende Schenkungsteuer an, da der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat. Die „Steuerersparnis“ betrüge somit 106.012,75 EUR.
2. Fallgruppe
Unternehmen mit über 15 Beschäftigten und begünstigtem Vermögen bis 26 Mio. EUR pro Erbe bzw. Empfänger
Regierungsentwurf:
Ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent wird gewährt bei einer Haltefrist von 5 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 400 Prozent. Die sog. Optionsverschonung in Höhe von 100 Prozent greift bei einer Haltefrist von 7 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 700 Prozent.
Derzeit:
Wie der Regierungsentwurf. Die Einhaltung von Lohnsummen entfällt jedoch gem. § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG, sofern der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat. Fazit:
Eine rückwirkende Erhöhung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer aufgrund eines (auch massiven) Abbaus von Arbeitsplätzen nach der Übertragung kann durch eine Schenkung nach derzeitigem Rechtsstand vermieden werden. Voraussetzung ist, dass der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat.
3. Fallgruppe
Unternehmen mit begünstigtem Vermögen über 26 Mio. EUR pro Erbe bzw. Empfänger
Für diese Fallgruppe enthält der Regierungsentwurf komplett neue Vorschriften, die aber im Regelfall bei mittelständischen Unternehmen nicht zur Anwendung kommen dürften.
Fazit
Je unsicherer die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebs nach der Übertragung eingeschätzt wird, desto größer ist das Risiko einer nachzuzahlenden Schenkungsteuer aufgrund eines Personalabbaus. Sofern der zu übertragende Betrieb zwischen 4 und 20 Beschäftigte hat, bietet die derzeitige Rechtslage jedoch im Gegensatz zum Regierungsentwurf die Möglichkeit, ohne Berücksichtigung der Lohnsumme Betriebsvermögen begünstigt zu übertragen.
Aufgrund der Komplexität der Thematik und der Kürze dieses Beitrags ist eine voll umfassende Darstellung des Regelwerks nicht möglich. Der Beitrag konzentriert sich lediglich auf die „wichtigsten“ Grundregeln.